Samstag, 8. Mai 2010

Statistik: April 2010

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Buch des Monats: "Die Hälfte der Sonne" Chimamanda Ngozi Adichie

SuB-Höhe: 105

Freitag, 7. Mai 2010

"Die Hälfte der Sonne" Chimamanda Ngozi Adichie


Wunderbares Buch! Bereits das erste Buch von Adichie "Der blaue Hibiskus" hat mir sehr gefallen. Dieses ist jedoch noch ein Stück besser. Jetzt bin ich sehr gespannt, wie das nächste Buch wird.

Chimamanda Ngozi Adichie nimmt den Leser nach Nigeria der 60. Jahre des letzten Jahrhunderts mit. Das Land hat so eben seine Unabhängigkeit erlangt und kämpft mit den typischen Problemen einer jungen Demokratie. In Nigeria leben viele verschiedene Völker - als Erbe der britischen Kolonialzeit wurde sie alle zu einem Land vereinigt, ohne dass man die Unterschiede beachtet hatte. Adichies Protagonisten sind allesamt Igbo. Die Zwillingsschwestern stammen aus einer gut situierten Familie - Kainene will in die Fußstapfen ihres Vaters treten und das Management einer seinen Firmen übernehmen, Olanna lebt mit Odenigbo - einem Wissenschaftler - zusammen und arbeitet an der Universität. Ugwu - ein Dorfjunge, der in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen ist, wird Odenigbos Boy und erhält schulische Bildung. Richard, fasziniert von den Kunstwerken der Igbo, kommt nach Nigeria, um ein Buch zu schreiben. Er lernt Kainene kennen und verliebt sich in sie.

Adichie beschreibt die Lebensverhältnisse alle Protagonisten - ob es das typische Dorfleben ist oder die Luxushäuser der Oberschicht. Es gelingt ihr alle Plätze so zu beschreiben, dass sich der Leser direkt in das damalige Nigeria versetzen kann. Adichie unterstreicht die Unterschiede zwischen den Schichten - die kulturellen, religiösen und sprachlichen Differenzen werden faszinierend dargestellt. Für einen Leser, der in der afrikanischen Kultur nicht übermäßig gut bewandert ist, ist es eine wunderbare Wissensquelle, die Lust auf mehr macht. Gelangweilt von den vielen Beschreibungen habe ich mich nie gefühlt - sie werden in das aktuelle Geschehen so integriert, dass man sich die Lebensbedingungen besser vorstellen kann.

Auch die Protagonisten wirken sehr lebendig. Es sind Menschen, mit den man mitfühlt, trauert und sich freut. Sie blieben in meinen Gedanken, auch als ich das Buch ablegen musste. Nicht immer verstand ich ihr Verhalten und nicht immer konnte ich es akzeptieren aber ich habe alle ins Herz geschlossen.

Der Roman ist jedoch keine Geschichte des jungen Nigerias sondern vor allem der neuen Republik von Biafra. Nach einem furchbaren, blutigen Massaker an Ingo, entsteht das neue Land, in dem die Überlebenden ein ruhiges Leben führen sollten. Bald herrscht zwischen Nigeria und Biafra Krieg. Schrecklicher Krieg, der viele Opfer fordert. Biafra als ein junges Land besitzt keine gute Armee, keine Ressourcen, keine Vorräte. Die Soldaten aus Biafra kämpfen ohne Ausrüstung, ohne Uniform und barfuß. In Biafra herrscht Hungernot, die Menschen sterben in Massen. Der tiefe Glaube an Sieg reicht leider nicht, um die Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten.

Adichie skizziert eindrucksvolle Bilder von Hunger, Not, Verzweifelung, Kampf. Diese Bilder werden ich sicherlich nicht schnell vergessen. Der Roman wirft viele Fragen auf: wie weit kann Patriotismus gehen, wie sehr kann man an eigenes Land glauben, was wäre ich im Stande für mein Land zu opfern, wie viele Tage Hunger würde ich aushalten?

"Die Hälfte der Sonne" sehe ich als Pflichtlektüre. Ich bin wirklich begeistert von der jungen Nigerianerin und ihrem schriftstellerischen Talent.

Meine Bewertung: 6/6

Chimamanda Ngozi Adichie, Die Hälfte der Sonne, übersetzt von Judith Schwaab, 627 Seiten, btb.