Donnerstag, 31. März 2011

"Mit Staunen und Zittern" Amélie Nothomb


"Mit Staunen und Zittern" ist lediglich eine kurze Erzählung, in der Nothomb ein Jahr in der japanischen Firma Yumimoto beschreibt. Eine junge Frau - Amélie-san, Alter Ego der Autorin, fängt an bei Yumimoto als Übersetzerin zu arbeiten. Stufenweise wird sie jedoch in der Hierarchie zurück gestuft, so dass sie zum Schluss die übelsten Arbeiten ausführt.
Nothomb beschreibt die Verhältnisse in einem japanischem Betrieb mit sehr viel Sarkasmus. Die ganze Palette an Schikanen kann einem Mitarbeiter widerfahren: Tyrannisieren, Schreien, Mobbing sowie eine absolute Abhängikeit von den Vorgesetzten.
Amélie wird gezwungen total stumpfe Arbeiten durchzuführen, oder langweilt sich gar, weil sie in den Augen ihrer Chefin zu nichts fähig ist. In der Zeit macht sie sich Gedanken über die Rolle der Frau in japanischer Gesellschaft oder über die angebliche Überlegenheit der japanischen Rasse. Sie versucht alle Schikanen mit Humor zu akzeptieren und ihren Arbeitsvertrag nicht vor Ablauf zu kündigen.

Mit Staunen und Schrecken habe ich dieses Büchlein gelesen - ein Job in Japan erschien mir als die größte Strafe. Die Handlung spielt jedoch in den 90. Jahren, seit dem hat sich die Situation etwas gebessert.

"Mit Staunen und Zittern" war meine dritte Begegnung mit Nothomb, bis jetzt die beste, aber ich bin mir immer noch nicht sicher, was ich von der Schriftstellerin halte. Ich würde gerne einen längeren Roman von ihr lesen. Bei den kurzen Formen habe ich immer das Gefühl, Skizzen zu lesen.

Meine Bewertung: 4/6

Amélie Nothomb, Z pokorą i uniżeniem, übersetzt von Barbara Grzegorzewska, 84 Seiten, Muza.

"Dziewczyna z zapałkami" {Das Mädchen mit den Schwefelhölzern} Anna Janko


Der Roman ist bis jetzt nicht ins Deutsche übersetzt worden, deswegen werde ich hier keine komplette Rezension veröffentlichen, sondern nur eine kurze Zusammenfassung.

Anna Janko ist eine bekannte polnische Lyrikerin, die mit diesem Buch ihren ersten Roman veröffentlichte. Sie erzählt die Lebensgeschichte einer angehenden Lyrikerin, die in eine unglückliche Ehe verwickelt ist und allmählich ihr eigenes "ich" verliert. Der Roman ist autobiographisch geprägt. Jankos Prosa wirkt sehr lyrisch. Der Roman hat die Form eines Tagebuches, das mit abgebrochenen Gedanken, Zitaten, kurzen Überlegungen und Gedichten übersät ist.

Meine Bewertung: 4/6

Anna Janko, Dziewczyna z zapałkami, 264 Seiten, Verlag Nowy Świat.

Dienstag, 29. März 2011

Superblogs 2011


Kaum zu glauben aber wahr - ich wurde auch für die Superblogs 2011 nominiert! Das hätte ich nie geglaubt, aber offensichtlich war jemand so nett und hat meinen Blog angemeldet. Jetzt bleibt mir nichts mehr übrig, als diese Aktion publik zu machen:)

Mein Blog startet natürlich in der Kategorie Bücher. Die drei besten Blogs in jeder Kategorie werden mit Gold, Silber und Bronze ausgezeichnet. Die Abstimmungsphase dauert vom 1. - 7. April - ihr könnt mich dann unterstützen:) Hier könnt ihr eure Stimme abgeben. Ich würde mich sehr freuen!
Jetzt habe ich endlich auch eine Buchtasche und eine Buchhülle! Die beiden Schätze habe ich von der lieben Dorota bekommen - danke schön! Ich bin so froh darüber, dass ich unbedingt die Bilder zeigen muss:





Freitag, 25. März 2011

"Sandberg" Joanna Bator


Der Roman stand schon lange auf meiner Wunschliste - ich habe so viele positive Stimmen gelesen und gehört, dass ich ihn unbedingt lesen wollte. Dank einer lieben Blog-Freundin habe ich ihn bekommen und durfte ihn endlich lesen!

"Sandberg" hat mir tatsächlich gut gefallen aber begeistert bin ich von dem Roman nicht. Bevor ich aber über den Inhalt schreiben werde, muss ich kurz bei der Sprache stehen bleiben. Bators Stil ist nämlich grandios! Ich war und bin begeistert. Sie konstruiert lange Sätze und spickt sie gleichzeitig mit vielen umgangssprachlichen Ausdrücken, die von einer unausgesprochen guten Beobachtungsgabe zeugen. Jede Person hat ihren eigenen Stil, ihre eigene Sprechweise, die Bator unfassbar gut übermitteln kann - über viele Ausdrücke habe ich mich kaputt gelacht, vor allem über die aufgesetzte Ausdrucksweise des Pfarrers. Mir fehlen wirklich die Worte, um Bators Stil zu beschreiben. Kurzum, man muss sie lesen!

Im "Sandberg" wird die Lebensgeschichte drei Frauen erzählt: der Großmutter, der Mutter und der Tochter. Zofia, Jadwiga und Dominika und ihre gemeinsamen Beziehungen bilden die Hauptachse des Romans. Im Hintergrund skizziert Bator die polnische Geschichte - vom zweiten Weltkrieg bis zur grauen Realität des Ostblock-Daseins. Jadwiga und Dominika leben in der Platte, die in Walbrzych (ehemalig Waldenburg) für die aus den Dörfern zugezogene Bevölkerung entstanden ist.
Abgesehen von den familiären Beziehungen verbindet die Hauptprotagonistinen nicht viel - sie haben unterschiedliche Charaktere, verschiedene Vorlieben und wachsen oder wuchsen unter ganz anderen Bedingungen auf. Sogar ihr Äußeres ist unterschiedlich. Dieses verleitet Dominika dazu, die Wurzel der Familie zu recherchieren. Dieses stößt auf Unverständnis ihrer Mutter, vor allem als sie bis jetzt unbekannte Tatsachen erfährt.

Bator schildert das alltägliche Leben im kommunistischen Polen wirklich meisterhaft. Ich musste sofort in Erinnerungen schwelgen - so vieles davon gehörte auch zu meiner Kindheit.

Die Romankonstruktion möchte ich unbedingt erwähnen: die Autorin geht bis in die Zeit des zweiten Weltkriegs zurück, springt beinahe unbemerkt zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit, ohne die Chronologie der Hauptgeschichte zu stören.

Die männlichen Protagonisten bilden den Gegenpol zu den Frauen: alle sind schwach, unfähig und schwelgen im Selbstmitleid. Die Frauen werden zwar nicht glorifiziert, sie haben auch ihre Schwächen, aber alle versuchen ihr Leben bewusst zu gestalten und ihr Schicksal zu beeinflussen.

Ich habe zu Beginn geschrieben, dass ich von dem Roman nicht restlos begeistert bin - das liegt an zwei Faktoren. Erstens fand ich, dass Bator ihre Protagonisten mit etwas zu viel Sarkasmus schildert. Die Frauen sind alle einfach und nicht besonders intelligent - bei der Schilderung ihres Alltags hatte ich jedoch ständig das Gefühl, dass die Autorin dem Lesen immer wieder lachend zuzwinkert. Zweitens fand ich die Handlung, vor allem zu Schluss, zu unwahrscheinlich, zu aufgesetzt, auch wenn das Buch bis zum Ende an Spannung nicht verloren hat.
Ich werde trotz dieser Schwachpunkte den zweiten Teil sicherlich lesen.

Meine Bewertung: 5/6

Joanna Bator, Piaskowa góra, 443 Seiten, WAB.

Mittwoch, 23. März 2011

Es rieselt Gutscheine!!!

Wenn es Gutscheine für Bücher zu gewinnen gibt, bin ich sofort dabei! Ich würde mir endlich einige Bücher aus meiner Wunschliste bestellen, vor allem "Das Buch der Unruhe" von Fernando Pessoa und sicherlich noch ein paar Exoten - also Bücher aus Ländern, aus denen ich noch keinen Roman gelesen habe. Hier denke ich an Tansania, Uruguay, Honduras, an die Philippinen usw.

Was muss man denn tun, um einen Gutschein zu bekommen? Auf www.meingutscheincode.de gehen und...


  1. Suche Dir einen Gutschein aus. Du kannst zwischen einem 50 Euro Gutschein für Zalando, Otto, Buecher.de, Spreadshirt und Fotokasten auswählen. Wähle dabei Deine 1. bis 5. Wahl aus. Wenn schon alle Gutscheine Deiner ersten Wahl vergeben wurden, bekommst Du automatisch den 50 Euro Gutschein Deiner zweiten Wahl.
  2. Schreibe auf Deinem privaten Blog eine kleine Geschichte darüber was Du mit Deinem 50 Euro Zalando-, Otto-, Buecher.de-, Spreadshirt- bzw. Fotokasten Gutschein von Mein Gutscheincode machen wirst. (Einzeiler werden nicht akzeptiert ;-)) Deiner Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt.
  3. Fülle das unten stehende Formular aus.
  4. Das war's! Wenn Dein Blog den Teilnahmevorraussetzungen entspricht, schicken wir Dir Deinen Gutschein per E-Mail innerhalb von nur 24 Stunden zu!
Ich bin gespannt!

Freitag, 18. März 2011

"Der entfesselte Globus" Ilija Trojanow


Ilija Trojanow stammt aus Bulgarien, wanderte jedoch mit den Eltern nach Deutschland aus, wohnte und besuchte eine deutsche Schule in Kenia, lebte auch in Indien, Asien und Afrika. Zur Zeit wohnt er in Wien. In dieser Sammlung finden sich Reportagen, die in den Jahren 1981-2007 in Asien, Afrika und Bulgarien entstanden sind.

In seinen Reportagen stellt Trojanow den Menschen immer an der ersten Stelle. Er betrachtet das Individuum aus nächster Nähe, kann den Blick eines Fremden vermeiden und besitzt die Gabe, sich in die Einheimischen hineinfühlen zu können. Man spürt, dass er viele Jahre in Asien und Afrika verbracht hat. In seinen Reportagen berührt er verschiedene Probleme: die Situation der afrikanischen Schriftsteller und Verlage, die Rolle des Fußballs in Afrika, die Entstehung der Slum in Bombay, er beschreibt das Leben in Bahrain aber auch die politische Situation in heutigem Bulgarien, um nur ein paar Themen zu nennen. Zwei Reportagen haben mir besonders gut gefallen. In der ersten beschreibt Trojanow den Prozess des Reisens am Beispiel einer Kreuzfahrt. Die Passagiere interessieren sich nur scheinbar für die Kultur der besuchten Länder, viel wichtiger ist die Qualität des Lebens an Board, für die Länder haben sie nur abwertende oder flache Bemerkungen.
In der anderen Reportage widmet sich Trojanow der deutschen Sprache, die er zu seiner Muttersprache auserkoren hat. Er beobachtet die Entwicklung des Deutschen, die zunehmende Zahl an Anglizismen und befürwortet die Verbreitung seiner Sprache in der Welt.

Während der Lektüre notierte ich mir auch den Namen eines tansanischen Schriftstellers (Adam Shafi), den ich gerne kennen lernen möchte.

Das Buch hat jedoch meine Erwartungen leider nicht erfüllt - die Texte unterscheiden sich im Niveau, man spürt deutlich, dass sie zu verschiedenen Zeitpunkten entstanden sind und sich an verschiedene Zielgruppen wenden.

Ich finde den Buchumschlag wunderschön, das Foto mag ich sehr gerne, leider gibt der Verlag nicht an, wo es gemacht wurde. Mich erinnert es sehr an dieses:


Es stammt aus dem Jahre 2004 und wurde in einer meinen Lieblingsstädte - in Manila - gemacht.

Meine Bewertung: 3,5/6

Ilija Trojanow, Der entfesselte Globus, 195 Seiten, Hanser

Mittwoch, 9. März 2011

"Fegefeuer" Sofi Oksanen


Es fällt mir schwer meine Gedanken in Worte zu fassen. Wie soll ich über solch ein Buch schreiben und nicht zu viel sagen, vor allem nichts Banales sagen. "Fegefeuer" hat alle Erwartungen ausgefüllt, die ich an einen Roman stelle: er hat mich bis zu Tiefstem berührt, die Sprache hat mich begeistert und meine Gedanken gehören voll und ganz diesem Buch.

Sofi Oksanen hat mich überrascht: ich bin von ihrer Reife, der Romankonstruktion und vor allem von der Sprache begeistert. Sie kann fürchterliche Taten in Worte fassen, Grausames und Brutales in eine Metapher umwandeln, die einen noch lange nicht loslässt. Oksanens Sprache hat mich so weit begeistert, dass ich viele Fragmente mehrere Male gelesen habe. Ich habe über die Metaphern gestaunt und staune immer noch. In den unmenschlichsten Momenten kann sie das Grausame in solch eine suggestive Metapher umwandeln, dass einem der Atem wegbleibt. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es passiert nicht oft, dass mir der Stil eines Autors so sehr gefällt.

Die Sprache ist jedoch nicht die einzige Stärke des Romans. Die Konstruktion und vor allem der Inhalt machen daraus ein beinahe vollkommenes Werk. Oksanen erzählt die Geschichte zwei Estinnen - ihr Schicksal ist eng mit dem politischen Geschehen in Estland verbunden. Mehr möchte ich nicht sagen, um den Überraschungseffekt nicht zunichte zu machen. Lieber möchte ich erwähnen, wie meisterhaft die Autorin eine breite Palette an Themen in ihren Roman einfließen lässt - sie schreibt über eine destruktive Liebe, über den Verrat und über schwierige zwischenmenschliche und familiäre Beziehungen. "Fegefeuer" ist ein Roman über starke Frauen, die trotz der räumlichen und zeitlicher Entfernung sich ähnliches Schicksal teilen. Es ist aber auch ein Roman über Männer, die ihre Macht immer durch das Erniedrigen der weiblichen Sexualität ausspielen. Letztendlich ist es auch ein Roman über die Liebe zur Heimat, über den Befreiungskampf und die Wichtigkeit der Tradition und der Familiengeschichte.

Obwohl der Roman so viele Aspekte anspricht, wirkt er nicht überladen. Oksanen gelingt es alle Themen miteinanader zu verbinden. Die auf dem Schutzumschlag (sehr gelungen!) abgebildete Fliege wird zu einem Leitmotiv, dessen Vorkommen ich gespannt verfolgt habe.

Ich bin mir bewusst, dass ich trotz der vielen Wörter nicht viel geschrieben habe - bitte überzeugt euch selbst von der Stärke dieses Romans.

Meine Bewertung: 6/6

Sofi Oksanen, Fegefeuer, übersetzt von Angela Plöger, 396 Seiten, Kiepenheuer & Witsch

Freitag, 4. März 2011

Statistik Februar 2011

Gelesene Bücher: 5
Gelesene Seiten: 1512

Nacht-Challenge: 1
Literaturpreise-Challenge: 1
Farbensonne-Challenge: 1

Buch des Monats: "Tauben fliegen auf" Melinda Nadj Aboji

SuB-Höhe: 120 (fragt nicht warum:)

Donnerstag, 3. März 2011

"Der Bonbonpalast" Elif Shafak


Ich habe von dem Buch nur Positives gehört und nachdem eine Freundin mir es noch persönlich empfohlen hat, habe ich es gleich gekauft. Eine Reise in die Türkei schien der perfekte Zeitpunkt zu sein, um Shafaks Prosa kennen zu lernen. Ich habe aber über eine Woche gebraucht, um den Roman fertig zu lesen und war mehrmals versucht das Buch weg zu legen. Erst nach der Hälfte konnte ich mich ein wenig mehr für die Geschichte begeistern.

Die Handlung spielt in Istambul, im Bombonpalast. Dieses Mietshaus wurde auf den Ruinen zwei Friedhöfe auf Anweisung eines reichen Russen gebaut. Der Auftraggeber hofft, dass er es schafft an seinem Lebensende zu seiner Ex-Frau zurück zu kehren und ihr helfen das Gedächtnis zurück zu erlangen.
Der Palast ist ein fantasievolles Gebäude - jede Etage sieht anders aus und wurde mit einer anderen Art von Balkons geschmückt. Er hat aber einen Nachteil - er stinkt und wird von Ungeziefern bewohnt. Der Platz vor dem Haus wird von den Nachbarn als Müllkippe benutzt. Das Motiv des Mülls und des Gestanks scheint Istanbul zu symbolisieren: eine hektische, volle, zugemüllte Stadt, in der Menschen aller Nationen leben.
So leben auch unterschiedliche Menschen im Bonbonpalast. Ganz unten haben zwei Brüder, genauer gesagt Zwillinge, ihren Friseursalon. Der eine Bruder wuchs in der Türkei, der andere in Australien auf. Ein Uniprofessor, der sich gerade von seiner Frau getrennt hat, zieht in eine der Wohnungen ein - dabei hilft ihm seine monströs dicke und hässliche Freundin, die unbeschreiblich reich und mit seiner Ex-Frau befreundet ist. Ein in der Schweiz aufgewachsener Student bewohnt samt seinem großen Hund die kleinste Wohnung. Die die Farbe blau liebende Frau, deren Liebhaber ihre Wohnung bezahlt, wohnt gegenüber dem Uniprofessor. Man darf auch die folgenden Personen nicht vergessen - die pausenlos ihre Wohnung putzende und desinfizierende Frau von ganz oben, die russische Entomologin, die als betrogene Ehefrau vor dem Fernseher dahinvegetiert, die abergläubische Meyrem, den Großvater, der seinen Enkeln von Dchinnen und anderen Fabelwesen erzählt sowie die geheimnisvolle ältere Madame. Eine interessante Mischung an exzentrischen, merkwürdigen Gestalten, die jeweils in einem einzelnen Kapitel dargestellt werden. Obwohl die Hausbewohner sehr treffend dargestellt werden, wurden mir diese Kapitel irgendwann zu langatmig. Als Shafak jedoch die Kapitel kürzt und die einzelnen Schicksale sich miteinander verbinden, wird es spannend und der Roman bekommt mehr Dynamik.

Die Romankonstruktion erinnerte mich an "Rot ist mein Name" von Pamuk. Ähnlich wie bei dem Nobelpreisträger wirkt jedes Kapitel wie eine Miniatur.
Lediglich der Anfang ist anders - Shafak beschreibt ihre Erzählweise, indem sie das Geschriebene mit grafischen Zeichen unterstreicht - dieses hat mich gar nicht überzeugt. Wenn ich, zum Beispiel, von der linearen Erzählweise lese, muss ich nicht noch einen waagerechten Strich sehen. Dann beschreibt sie die Geschehnisse vor dem Entstehen des Bonbonpalastes - die Art und Weise, wie sie es macht, hat mich ebenfalls nicht überzeugt. Sehr gerne lese ich Romane, die etwas Neues, Unerwartetes auf der sprachlichen Ebene haben, solche grafischen "Neuerungen" mag ich aber gar nicht. Ich denke, dass der Roman begeistern kann, Shafak erzählt suggestiv und teilweise witzig, ich würde ihn aber nur bedingt empfehlen.

Meine Bewertung: 3/6

Elif Şafak, Pchli pałac, übersetzt von Anna Akbike Sulimowicz, 500 Seiten, Wydawnictwo Literackie

"Die Hochzeit des Zain" Tayyib Salih


Tayyib Salih gehört zu den bedeutendsten Schriftsteller aus dem Sudan, wo die Grundlagen der geschriebenen Literatur erst in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden sind. Zuvor wurden die Erzählungen mündlich überliefert. Tayyib Salih publizierte 1966 seinen ersten Roman "Zeit der Nordwanderung" und wurde zu einem der Mitbegründer der neuen Strömung. "Die Hochzeit des Zain" wird als sein wichtigstes Werk angesehen.

Dieser kurzer Roman kann man in die Strömung des magischen Realismus einordnen. Die Handlung spielt in einem kleinen sudanesischen Dorf. Der Autor vermag die Dorfbewohner und das alltägliche Leben unwahrscheinlich malerisch und warmherzig zu skizzieren. Der Hauptaugenmerk fällt dabei auf Zain - den lokalen Dummkopf, könnte man sagen. Er ist hässlich, er ist immer fröhlich, er lacht über sich selbst und die Welt. Zain liebt alle, vor allem die Ausgestoßenen - für jeden hat er ein warmes Wort und seine helfende Hand. Niemand im Dorf nimmt Zain ernst. Belächelt wird vor allem seine Tendenz sich ständig zu verlieben - immer wieder sucht er sich ein Mädchen aus und bekundet unsterblich in es verliebt zu sein. Die Ausgewählte wird somit zum Objekt der Begierde bei allen heiratswilligen Männern im Dorf. Bald bemühen sich alle Mütter, das genau ihre Tochter Zain ins Auge fällt.
Zain ist mit einem Sufi - Al-Hunain - befreundet, der als heiliger Mann angesehen wird. Kurz vor seinem Tod sagt er voraus, dass das Dorf reich und dass Zain das schönste Mädchen heiraten wird. Seine Prophezeiung geht in Erfüllung. Zains Heirat wird alle Dorfbewohner in Aufruhr bringen.

Tayyib Salih beginnt seine Erzählung mit der Neuigekit über Zains Hochzeit und nimmt sie als Anlass andere Bewohner darzustellen. Er zitiert aufgeregte Gespräche und beschreibt die dortigen Sitten und Bräuche. Dabei bekommt man den Eindruck, dass er sein Traumland darstellt, das aber bereits weit weg in der Vergangenheit liegt.
"Die Hochzeit des Zain" scheint ein interessanter Einstieg in die Literatur des Sudans zu sein.

Meine Bewertung: 4/6

Al-Tajjib Salih, Wesele Zajna, übersetzt von Jolanta Kozłowska, 96 Seiten, Smak Słowa.

"Kalteis" Andrea Maria Schenkel

30. Jahre, München und Umgebung - es verschwinden junge Frauen, alle hübsch, jung, dunkelhaarig. Josef Kalteis verfolgt sie auf seinem Fahrrad, um sie zu ermorden und vergewaltigen. All das erfahren wir auf den ersten Seiten. Trotzdem hat Schenkel keinen langweiligen Roman geschrieben.

Schenkel berichtet trocken, fast teilnahmslos über die Geschehnisse - sie beschreibt fragmentarisch das Leben der Opfer und ihr Verschwinden. Näher wird nur Kathie vorgestellt - ein junges Mädchen, das ihr Heimatdorf im Münchener Umland verlässt, um in der großen Stadt Arbeit zu suchen und ein interessanteres Leben zu führen. Die Autorin stellt das damalige München unheimlich suggestiv dar. Die Protagonisten gehören alle der Arbeiterschicht an, was durch die Sprache unterstrichen wird.
Viele der Opfer werden durch ihre Verwandten beschrieben, in Form des Polizeiberichts. Die Angehöirgen beschreiben ihre Frauen oder Töchter, ihre Beziehungen und Probleme. Zwischen den einzelnen Berichten "zitiert" Schenkel den Verhör von Kalteis, der anfänglich alle Vorwürfe abschlägt.

Beim Lesen fühlte ich mich sehr an "Tannöd" erinnert - der Stil und die Romankonstruktion sind ähnlich. Dieses hat mich jedoch nicht gestört - es fehlte zwar der Überraschungseffekt aber es war weiterhin ordentliche, spannende Literatur.

Meine Bewertung: 4,5/6

Andrea Maria Schenkel "Kalteis", 154 Seiten, Nautilus