Donnerstag, 3. März 2011

"Der Bonbonpalast" Elif Shafak


Ich habe von dem Buch nur Positives gehört und nachdem eine Freundin mir es noch persönlich empfohlen hat, habe ich es gleich gekauft. Eine Reise in die Türkei schien der perfekte Zeitpunkt zu sein, um Shafaks Prosa kennen zu lernen. Ich habe aber über eine Woche gebraucht, um den Roman fertig zu lesen und war mehrmals versucht das Buch weg zu legen. Erst nach der Hälfte konnte ich mich ein wenig mehr für die Geschichte begeistern.

Die Handlung spielt in Istambul, im Bombonpalast. Dieses Mietshaus wurde auf den Ruinen zwei Friedhöfe auf Anweisung eines reichen Russen gebaut. Der Auftraggeber hofft, dass er es schafft an seinem Lebensende zu seiner Ex-Frau zurück zu kehren und ihr helfen das Gedächtnis zurück zu erlangen.
Der Palast ist ein fantasievolles Gebäude - jede Etage sieht anders aus und wurde mit einer anderen Art von Balkons geschmückt. Er hat aber einen Nachteil - er stinkt und wird von Ungeziefern bewohnt. Der Platz vor dem Haus wird von den Nachbarn als Müllkippe benutzt. Das Motiv des Mülls und des Gestanks scheint Istanbul zu symbolisieren: eine hektische, volle, zugemüllte Stadt, in der Menschen aller Nationen leben.
So leben auch unterschiedliche Menschen im Bonbonpalast. Ganz unten haben zwei Brüder, genauer gesagt Zwillinge, ihren Friseursalon. Der eine Bruder wuchs in der Türkei, der andere in Australien auf. Ein Uniprofessor, der sich gerade von seiner Frau getrennt hat, zieht in eine der Wohnungen ein - dabei hilft ihm seine monströs dicke und hässliche Freundin, die unbeschreiblich reich und mit seiner Ex-Frau befreundet ist. Ein in der Schweiz aufgewachsener Student bewohnt samt seinem großen Hund die kleinste Wohnung. Die die Farbe blau liebende Frau, deren Liebhaber ihre Wohnung bezahlt, wohnt gegenüber dem Uniprofessor. Man darf auch die folgenden Personen nicht vergessen - die pausenlos ihre Wohnung putzende und desinfizierende Frau von ganz oben, die russische Entomologin, die als betrogene Ehefrau vor dem Fernseher dahinvegetiert, die abergläubische Meyrem, den Großvater, der seinen Enkeln von Dchinnen und anderen Fabelwesen erzählt sowie die geheimnisvolle ältere Madame. Eine interessante Mischung an exzentrischen, merkwürdigen Gestalten, die jeweils in einem einzelnen Kapitel dargestellt werden. Obwohl die Hausbewohner sehr treffend dargestellt werden, wurden mir diese Kapitel irgendwann zu langatmig. Als Shafak jedoch die Kapitel kürzt und die einzelnen Schicksale sich miteinander verbinden, wird es spannend und der Roman bekommt mehr Dynamik.

Die Romankonstruktion erinnerte mich an "Rot ist mein Name" von Pamuk. Ähnlich wie bei dem Nobelpreisträger wirkt jedes Kapitel wie eine Miniatur.
Lediglich der Anfang ist anders - Shafak beschreibt ihre Erzählweise, indem sie das Geschriebene mit grafischen Zeichen unterstreicht - dieses hat mich gar nicht überzeugt. Wenn ich, zum Beispiel, von der linearen Erzählweise lese, muss ich nicht noch einen waagerechten Strich sehen. Dann beschreibt sie die Geschehnisse vor dem Entstehen des Bonbonpalastes - die Art und Weise, wie sie es macht, hat mich ebenfalls nicht überzeugt. Sehr gerne lese ich Romane, die etwas Neues, Unerwartetes auf der sprachlichen Ebene haben, solche grafischen "Neuerungen" mag ich aber gar nicht. Ich denke, dass der Roman begeistern kann, Shafak erzählt suggestiv und teilweise witzig, ich würde ihn aber nur bedingt empfehlen.

Meine Bewertung: 3/6

Elif Şafak, Pchli pałac, übersetzt von Anna Akbike Sulimowicz, 500 Seiten, Wydawnictwo Literackie

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