Montag, 9. Mai 2011

"Liebe Isländer" Huldar Breiðfjörð


Huldar wohnt in Reykjavík, genießt das Nachtleben und reist viel, vornehmlich ins Ausland. Island interessiert ihn nicht besonders, bis er eines Tages auf die Idee kommt, so viel Island wie möglich wahrzunehmen, um die eigene Heimat wieder neu für sich zu entdecken. Folglich beschliesst er die Insel auf der Ringstraße zu umrunden. Die Expedition soll in den zwei typisch isländischen Monaten statt finden - im Januar und Februar.

Die Reise soll nicht nur dazu dienen, Island zu erkunden, gleichzeitig soll sie Huldar helfen "aufzuwachen" - er hat genug von seinem Alltag, immer den gleichen Kneipen, der gleichen Musik und dem öden Gerede mit den Kumpels. Es ist höchste Zeit sein Leben zu verändern.
Bevor er aber die Reise antreten kann, muss noch etwas wichtiges erledigt werden - Huldar braucht ein Auto, das etwas aushält. Ein Auto mit Seele. Nach einer langen Suche findet er einen Volvo Lappländer, der sein Reisegefährte werden soll.
Die Reise beginnt - Huldar fährt zuerst in die Westfjorden und noch bevor er dort ankommt, ist er kurz davor seinen Projekt zu unterbrechen. Das Wetter ist katastrophal, die Straße glatt und löchrig. Huldar kämpft mit Wind, Eisglätte, schlechter Sicht und fürchtet ständig, in den Fjord abzustürzen. Für solch einen Stadtmenschen wie er, ist die Fahrt ein wahres Überlebenstraining.

Der Kampf gegen das Wetter und die Natur wird zum Hauptthema des Romans - Huldar gibt nicht auf und kämpft sich bei Eiseskälte, ständig kurz vom tödlichen Absturz in den Fjord, in die abgelegensten isländischen Dörfer durch.

Er plante so viele Bauernhöfe und Dörfer wie möglich zu besuchen und hatte vor Gespräche mit den gewöhnlichen Isländern zu führen. Um die Kontaktaufnahme zu vereinfachen, hat Huldar Bücher zum Verkauf mitgenommen.
In jedem Ort besucht er zuerst den Kiosk oder die Tankstelle und trinkt einen Kaffee. Meistens ist es auch der einzige Platz, an dem er Menschen trifft. Die Straßen sind meistens leer.
Obwohl so viele Gespräche geplant wurden, hat Huldar bis zum Schluss einige Schwierigkeiten mit den wortkargen Isländern, ungezwungene Gespräche zu führen. Immer wieder muss er sich aufs Neue wundern, dass die Bewohner der entlegensten Ecken mit ihrem Leben zufrieden sind und nichts vermissen. Dabei gilt Reykjavík als Inbegriff einer großen Stadt mit seinen 120.000 Einwohnern.

Während eines ungewöhnlich starken Sturmes verbringt Huldar ein paar Tage in einer Pension am Myvatn-See. In der Zeit versucht er den Sinn seines Lebens neu zu definieren und sein "ich" zu entdecken. Bei den Versuchen entstehen keine erfinderischen Theorien, eher enden sie damit, dass Huldar die ganze Nacht im Fernsehzimmer auf dem Sofa schlafend verbringt. Man muss zugeben, dass Huldar die Nacht nackt (zur besseren Selbstfindung) verbringt und morgens von der Pensionsbesitzerin aufgefunden wird.

Wie ihr vielleicht gemerkt hat, ist nämlich Huldars Buch weder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der isländischen Mentalität noch eine tiefgründige Beschreibung des Selbstfindungsprozesses. Viel mehr ist es eine herzlich witzige Liebeserklärung an Island. Huldars Bemerkungen sind lustig, die Beschreibungen der Gespräche ironisch und witzig und seine Malheurs werden selbstkritisch und autoironisch dargestellt. Der Autor entdeckt Islands Schönheit erst auf der letzten Geraden der Ringstraße, im äußersten Süden. Trotzdem ist das ganze Buch eine Lobhymne an die isländische Natur und an Island. Wo sonst kann man solch skurrilen Menschen begegnen, wo herrschen solch unberechenbaren Wettergötter und wo befinden sich solch beeindruckenden Naturwunder?
Allen Islandliebhabern möchte ich das Buch wärmstens empfehlen - ich bin mir sicher, es wird euch begeistern:)

Meine Bewertung: 5/6

Huldar Breiðfjörð, Liebe Isländer, übersetzt von Gisa Marehn, 219 Seiten, Aufbau Verlag.

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