Eine alte Frau wohnt alleine in einer Provinzstadt. Ihr geliebter Mann liegt im Sterben im Krankenhaus. Nach seinem Tod ist sie niedergeschlagen, bevor sie jedoch anfängt, ihr Leben neu zu ordnen, übernimmt ihre Tochter Iza das Ruder. Sie ist eine unglaublich pragmatische, rationelle, geordnete Person, als Ärztin sehr sorgfältig, ihren Patienten immer zugewandt. Sie wusste schon immer, was am besten für ihre Eltern ist. Ihre alte Mutter nimmt sie zu sich - in ihre Wohnung nach Budapest. Nach dem ersten Schock freut sich die ältere Dame, dass sie ihrer Tochter nützlich sein könnte - sie wird aufräumen, die Lieblingsspeisen der Tochter kochen und ihr das Leben leichter machen. Sie wird aber bitter enttäuscht. Izas Leben ist geregelt, die Wohnung modern eingerichtet, eine Haushaltshilfe kümmert sich um alles, die Mutter soll sich nur erholen. Sie fühlt sich in dieser Rolle schlecht - unnütz und fehl am Platze. Gleichzeitig weiß sie aber, dass Iza sie sehr liebt und für sie nur das Beste will. Die Tochter versucht ihr ein angenehmes, reiches Leben zu sichern, sieht aber nicht, was ihre Mutter wirklich braucht - Verständnis für ihre Bedürfnisse und Gespräche. Die Einsamkeit der Mutter wird unerträglich, sie versucht Leute kennen zu lernen aber alle ihre Bekanntschaften werden von Iza als ungeeignet bezeichnet und schliesslich verboten.
Der Ex-Mann von Iza - Antal - ein Waisenkind, der durch die Großeltern erzogen wurde, hat erst bei seinen Schwiegereltern Liebe und Wärme erfahren. Trotz der Trennung hat er für seine Schwiegereltern viel Zuneigung. Nach dem Tod des Schwiegervaters, wollte er sich um die Witwe kümmern. Als Iza jedoch ihre Pläne umsetzte, kaufte er das Haus der Schwiegereltern.
Izas Mutter fährt in ihre alte Heimat, um persönlich das Hinstellen des Grabdenkmals für ihren geliebten Mann zu beaufsichtigen. Antal freut sich sehr, sie wieder zu sehen und kann es kaum erwarten, ihr vor seinen Plänen zu berichten.
Jede der im Roman vorgestellten Personen - Antal, Iza, Mutter und Vater - kann als Hauptprotagonist angesehen werden. Szabó ändert in ihrem Roman mehramls die Erzählperspektive, so dass jeder der Protagonisten seine Sichtweise darstellen kann. Besonders die Abschnitte, in denen die Mutter von ihren Erlebnissen berichtet, sind sehr beindruckend. Der Leser beobachtet wie sie sich immer mehr in sich verschliesst, wie sie apathisch wird und schliesslich gänzlich in sich einsackt.
Szabós Stil hat mich begeistert: das Buch habe ich unwahrscheinlich gelesen, trotzdem ist es ein Roman, der noch lange in Erinnerung bleibt. Ein Roman, das nicht so schnell aus den Gedanken verschwindet, einer, der zum Nachdenken zwingt und zutiefst berührt. Szabó bringt den Leser dazu, über eigene Beziehung zu den Eltern und anderen älteren Personen nachzudenken. Diesen Effekt erreicht sie durch eine schlichte, nüchterne Sprache, die die Gefühle der Protagonisten umso mehr hervorhebt. Sie hat es geschafft ein Psychogramm vier verschiedener Personen darzustellen - jede von ihnen versucht nach dem besten Willen zu handeln und jede von ihnen scheitert. Der Mangel an Kommunikation ist der Hauptverursacher aller Katastrophen.
Szabó hat ihren Roman in vier Kapitel geteilt - jedes von ihnen wurde einem anderen Element zugeordnet, die wiederum als Symbole der Persönlichkeiten der Hauptprotagonisten angesehen werden können. Eine Maßnahme die ebenfalls zum Nachdenken zwingt.
Es ist ein Roman nach meinem Geschmack. Ich suche immer nach Büchern, die mich nach dem Fertiglesen noch lange zum Nachdenken zwingen und an die ich mich noch Monate später erinnern kann. Ich habe Szabós Prosa noch im Gymnasium kennen gelernt aber erst jetzt fand ich wieder zu ihr. In meinem SuB warten noch zwei weitere ihre Bücher, auf die ich mich schon sehr freue.
Übrigens, ich habe gerade entdeckt, dass dieser Roman kürzlich in einer neuen Übersetzung in
Secession Verlag erschienen ist.
Meine Bewertung: 6/6
Maga Szabó, Piłat, übersetzt von Olga Wybranowska, 275 Seiten, Wydawnictwo PIW