Samstag, 23. April 2011

"Tiere essen" Jonathan Safran Foer


Nein, ich habe das Buch nicht so lange gelesen - inzwischen warten schon drei Bücher auf eine Rezension. Leider hatte ich in den letzten Tagen weniger Zeit (und auch Lust) zum Schreiben. Jetzt sollen meine Eindrücke endlich niedergeschrieben und veröffentlicht werden.

Dieses Buch durfte ich von einer lieben Freundin ausleihen - das Thema interessiert mich doch sehr!
Als ich mein erstes Kind bekam, begann ich über meine Ernährung nachzudenken und habe vieles umgestellt - ähnlich war es auch bei Jonathan Safran Foer. Als sein Sohn zur Welt kam, fing er an, sich mit dem Thema zu befassen. Er wollte ergründen, woher das Fleisch stammt, das seine Familie verzehrte. Dieser Ansatz ließ ihn mehrere Monate recherchieren und durch die USA reisen.

Der erste Teil wird gänzlich allgemeinen Überlegungen gewidmet. Safran Foer schreibt viel über seine Kindheit, über gemeinsame Mahlzeiten bei seiner Großmutter und berührt hin und wieder das eigentliche Thema. Man findet in diesem Teil Gedanken zum sozialen Aspekt des Essens, zur Notwendigkeit des Fleischverzehrs und erste Erfahrungen über die Art der Tierhaltung. Diese ersten ein Hundert Seiten führen den Leser in das eigentlich Thema ein. Im Hauptteil des Buches beschreibt der Autor detailliert wie Geflügel, Schweine, Rinder und Fische gehalten und getötet werden.

Safran Foer versucht bei seinen Ausführungen objektiv zu bleiben. Er gibt Aussagen von verschiedenen Personen wider: Arbeiter in den Schlachthäusern, Öko-Bauer, Vegetarier, Mitglieder von Organisationen, die sich gegen die Massentierhaltung einsetzen. Je mehr Tatsachen im Buch dargestellt werden, desto weniger objektiv wird er aber. Es ist auch schwierig angesichts der grausamen Tatsachen objektiv zu bleiben. Die unfassbare Enge, in der die Tiere leben oder die Grausamkeit bei der Schlachtung würden sicherlich jeden berühren.
Ich empfand aber nicht, dass Safran Foer den Leser zum Vegetarianismus zwingen möchte. Eher will er, dass man sich Gedanken macht, woher das Fleisch stammt und wie die Tiere gelebt haben. Mit diesen Information sollte jeder Verbraucher selbst überlegen, ob und welches Fleisch er essen möchte. Safran Foer möchte auch jedem klar machen, dass man mit dem Kauf von billigem Fleisch die Massentierhaltung unterstützt.
Er hat die möglichst radikalste Lösung gewählt und verzichtet gänzlich auf Fleisch. In "Tiere essen" beschreibt er auch die Konsequenzen seiner Entscheidung, zum Beispiel am Thanksgiving.

Alle im Buch aufgeführten Fakten beziehen sich auf den amerikanischen Markt, nur in seltenen Fällen wird mit den europäischen Ländern verglichen. Überzeugend waren für mich die sehr vielen Fußnoten, die jede Tatsache belegen und die entsprechende Quelle angeben. Hilfreich ist auch der kleine Anhang, der die Situation der Massentierhaltung in Deutschland skizziert. Ich hätte mir hierzu noch mehr Informationen gewünscht.

Das Buch passte perfekt in meine gegenwärtigen Überlegungen. Ich habe bereits erwähnt, dass ich unsere Ernährung nach der Geburt meiner Tochter umgestellt habe. Nach der Geburt meines Sohnes wurde ich noch radikaler:) Wir backen selbst Brot, machen unseren eigenen Joghurt, ich versuche so viel wie möglich Bio-Produkte zu kaufen. Die Problematik des Fleischkaufs kam letztens hin und wieder auf. Wir essen nicht viel davon aber ab und zu erscheint es doch in unserem Speiseplan. Ich möchte wissen, dass die Tiere nicht gelitten haben und bei der Schlachtung nicht gefoltert wurden. Das Fleisch im Supermarkt hat mich schon länger angeekelt, "Tiere essen" hat mir geholfen meine Einstellung zu überdenken und neu zu definieren.

Diese Rezension soll aber kein einziger Lobgesang auf das Buch sein. Ich mochte weder den Stil noch die Konstruktion des Romans. Der erste chaotische Teil ließ mich beinahe die Lektüre abbrechen. Nichts mehr nervt mich als gedankliches Chaos und das Anfangen von verschiedenen Themen, um sie dann wieder fallen zu lassen. Aus diesen ein Hundert Seiten würde ich lediglich ein Kapitel machen. Die komplette Buchkonstruktion empfinde ich als "bestseller-like" (tut mir leid für den Ausdruck aber gerade der scheint mir am besten meine Gefühle auszudrücken) - kurze Kapitel, persönliche Exkurse, fett gedruckte Abschnitte, grafische Hervorhebungen einiger Fakten - sie sollen offensichtlich attraktiv wirken und möglichst viele Leser anziehen, was im Prinzip nicht schlecht ist, aber mich immens nervt. Großes Lob möchte ich für die Umschlaggestaltung aussprechen - wirklich sehr gelungen!

Dieses Buch bekommt keine Wertung - ich sage nur: unbedingt lesen!

Jonathan Safran Foer, Tiere essen, übersetzt von Isabel Bogdan, Ingo Herzke, Brigitte Jakobeit, 392 Seiten, Kiepenhauer & Witsch

6 Kommentare:

  1. Super Buchbeschreibung Anna. Ich hatte begotten mit DER englischen Lektuere aber dann genervt abgelegt... Viellecht nehm ich's jetzt nochmals raus.. Du hast mir Lust drauf gemacht

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  2. Peter danke schön! Für mich hat sich die Lektüre gelohnt, hoffe es wird bei dir auch so sein.

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  3. "Tiere essen" hat mir auch sehr gut gefallen, und mich in meiner Entscheidung, vegetarisch zu leben, nur bestärkt.Wenn du dir noch mehr Infos zur deutschen Situation wünschst, kann ich dir "Anständig Essen" von Karen Duve empfehlen. Das ist noch etwas roman-haftiger, und kein Sachbuch wie "Tiere essen", hat aber auch einen anderen Ansatz.

    Liebe Grüße,
    Mondscheinblume

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  4. Hallo Mondscheinblume, ja "Anständig Essen" steht schon auf meiner Wunschliste:)

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  5. Das Buch steht auch schon seit geraumer Zeit auf meiner Wunschliste, einerseits weil Jonathan Safran Foer als Schriftsteller ungemein schätze, andererseits aber natürlich auch, weil ich mich über die Themen Tierhaltung und - in diesem Zusammenhang - Ernährung informieren möchte (im Gegensatz zu dir habe ich mich nämlich noch nicht viel damit beschäftigt): Foers etwas unkonventionelles Sachbuch scheint mir hierzu der richtige Einstieg.

    Zu deiner Einschätzung der "Buchkonstruktion": Ich weiß nicht, ob du Foers Romane gelesen hast, aber ich finde, so wie du dieses Buch beschreibst, klingt es, als würde er in diesem Sachbuch dieselben graphischen und strukturellen Mittel verwenden wie in den Vorgängertexten. Er spielt gerne mit (typo)graphischen Elementen - verschiedene Schriftarten, weiße Stellen oder gar ganze Seiten, die leer bleiben, usw. Und genauso spielt er auch mit Erzählsträngen, verschiedenen Geschichten und Stimmen, die in einander übergehen... Ich glaube, was du hier als "bestseller-like" Strategie empfunden hast, ist vielmehr eine ganz bestimmte, individuelle Art des Autors, den Text, die Schrift und das Schreiben zu begreifen. Aber trotzdem ist dies natürlich Geschmackssache und du hast das Recht, diese Form nicht ansprechend, sondern eher störend zu finden.
    Schöne Rezension jedenfalls!

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  6. Danke schön! Ich habe bis jetzt noch nichts von Foer gelesen, möchte aber noch ein Buch von ihm kennen lernen. Prinzipiell mag ich solche graphischen Elemente nicht - Prosa hat für mich nur Prosa zu sein. Um ein Buch spannend/informativ/lesenswert zu machen, sollte ein Autor Worte und Sätze benutzen. Der Rest ist Schnickschnack ABER ich bin auch gerne bereit meine Meinung zu ändern und u.a. aus diesem Grund bekommt Foer noch eine Chance. Viele Grüße!

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