Montag, 9. Mai 2011

"Die Hand, die man nicht beißt" Ornela Vorpsi


Auf diesen Roman war ich sehr neugierig, vor allem weil ich albanische Literatur bis jetzt noch nicht kannte.

Die Hauptprotagonistin dieses kurzen Romans, vermutlich Alter Ego der Autorin, ist aus Albanien ausgewandert und wohnt in Paris. Wir begegnen ihr während ihrer Reise in den Balkan, wo sie vor allem ihren kranken Freund in Sarajevo besuchen möchte.

"Die Hand, die man nicht beißt" ist vielmehr eine Sammlung von Überlegungen, Gedankensplitter, Bemerkungen und Erzählungen als ein zusammenhängender Roman. Die Reise in die Heimat ist der Anstoß, eigene Identität neu zu überdenken, sich an Vergessenes wieder zu erinnern und die Erinnerungen aus Tirana wieder ans Licht zu bringen.
Die Protagonistin erkennt, dass Paris noch nicht zu ihrer Heimat geworden ist, sieht aber gleichzeitig, dass ihre eigentliche Heimat ihr fremd vorkommt. Sie entdeckt zwar die vertrauen Gerüche, Farben und Geschmäcke, spürt aber, dass sie nicht mehr zu ihr gehören.

Vorpsi skizziert wunderbar ihre kurzen Beobachtungen aus den Straßen Sarajevos - es gelingt ihr den Leser zu überraschen und zum Nachdenken anzuregen. Viele ihrer Bemerkungen haben mich sehr überzeugt. Leider empfand ich das Buch als viel zu kurz, es bleibt mir nichts anderes übrig als Vorpsis zweiten Roman zu lesen.

Meine Bewertung: 4,5/6

Ornela Vorpsi, Ręka, której nie kąsasz, übersetzt von Joanna Ugniewska, 86 Seiten, Wydawbictwo Czarne

6 Kommentare:

  1. Vielen Dank für die Vorstellung dieses Buches. Ich hatte es neulich erst im Auge, allerdings gerade wegen seiner Kürze, für zwischendurch. Klingt trotzdem nicht schlecht, was Du schreibst.
    Da die Autorin auf Italienisch schreibt würde ich das Buch der Italienischen Literatur zuordnen. Ich habe mich schon oft gefragt, wie viel – jetzt fehlt mir die Einheit, denn in Prozent lässt sich das sicher nicht beantworten – des Sprachgefühls von der alten in die neue Heimat übergeht. Und so etwas wie eine zweite Heimat muss es ja sein, sonst könnte man sicher nicht auf Italienisch und Französisch schreiben, wie hier der Fall. Rhythmus, Klang und die Art bestimmte Dinge auszudrücken sind ja in den verschiedensten Sprachen oft sehr speziell und fließen sicher auch ein Stück weit in die andere Sprache mit ein (vielleicht auch nur im Denkprozess) und können so eine Bereicherung sein.
    Eine schwierige Frage, wie viel Albanien in einem solchen Buch steckt, die sich wahrscheinlich gar nicht beantworten lässt. Ich wollte sie trotzdem mal stellen, habe mal laut gedacht.

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  2. Ich habe auch schon darüber nachgedacht und sehe es doch ein wenig anders als Du. In diesem Fall, lebt die Autorin sogar in Frankreich, da würde ich das Buch gar nicht der italienischen Literatur zuordnen, zudem es gar nicht von Italien handelt. Ich, für mich, ordne die Bücher auch nicht nach Sprachen ein - an diesem Beispiel sieht man ganz genau wie albanisch die Autorin noch ist und wie wichtig die Heimat und die Herkunft in ihrer Wahrnehmung ist. Andererseits, angenommen ich würde einen Roman auf Deutsch schreiben - ich würde den weiterhin der polnischen Literatur zuordnen - der Erfahrungsschatz aus der Heimat wird doch eine größere Rolle als die Sprache spielen. Es gibt ja auch Autoren, die in zwei Sprachen schreiben! Liebe Grüße!

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  3. Danke für Deine Meinung. Ich glaube, wir liegen gar nicht weit auseinander. Für mich ist die Einordnung in Kategorien (wie Sprache) erst einmal eher pragmatischer Natur, also z.B. um eine Ordnung in ein Blog hineinzubringen, wie bei Dir auch. Nicht, um etwas in Schubladen zu stecken oder zwingend an die Nationalität oder gar an so etwas wie eine nationale Identität, sofern es die überhaupt gibt, zu knüpfen. Es handelt sich wohl eher um eine persönliche Identität, die von der Kultur und Sprache des jeweiligen Landes geprägt ist.

    Wahrscheinlich hast Du Recht, indem Du die Autorin zu Albanien zählst, wobei ich mit der Zuordnung gar nicht das Nationale herausstellen wollte, sondern das Kulturelle. Denn wie Du schreibst (und wie ich oben auch schon so ähnlich ausdrücken wollte), gibt es in der multikulturellen Gesellschaft viele Einflüsse, die dann letztendlich ihren Ausdruck in irgendeiner Sprache finden.

    Ich finde es immer spannend in diese Richtung Meinungen und Erfahrungen zu hören. Danke! Ich merke aber auch, dass ich mich mit dem Thema intensiver auseinandersetzen muss, um mich nicht so leicht zu verheddern oder an den Dingen vorbei zu schreiben, auf die ich eigentlich hinaus wollte bzw. um überhaupt mehr Einsichten zu gewinnen.

    Liebe Grüße!

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  4. Ich habe auch erstmal überlegt, wie ich die Autoren zuordnen werden ß und habe mich dann entschieden eher nach dem Herkunftsland zu gehen, sofern der Schriftsteller dort mindestens bis ins Erwachsenenalter gelebt hat.

    Für mich ist das Thema Identität, Emigration etc. auch sehr spannend und ich mache mir, nicht nur bei der Lektüre, viele Gedanken darüber. War sehr interessant sich mit Dir austauschen zu können. Lieben Gruß!

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  5. Danke für den Hinweis auf diese Buch Vorpsis. Es scheint in gewisser Weise eine Fortsetzung des "Ewigen Lebens der Albaner" zu sein, daß mich seinerzeit sehr beeindruckte....

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  6. Soweit ich weiss, dieses Buch ist tatsächlich die Fortsetzung von "Ewigen Lebens der Albaner". Ich habe diesen Roman leider nicht gelesen.

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