Sonntag, 1. März 2009

"Maskottchen" von Mark Kurzem


Ich kannte bereits die Geschichte von Alex Kurzem, dem Vater des Autors. Natürlich war es nur oberflächliches Wissen - das Buch sollte ja erst gelesen werden. Ich bin gestern fertig geworden und weiß nicht so recht, was ich schreiben soll. Das Buch berührt bis zum Inneren, es ist unglaublich, es ist erschreckend. Die Geschichte nimmt einem das Atem, lässt den Leser fassungslos.
Mark Kurzem erzählt die Geschichte seines Vaters. Alex Kurzem schwieg über fünfzig Jahre. Er gab nur wenige Details über seine Vergangenheit preis und ließ niemanden in seine kleine Schatzkiste blicken. Dort bewahrte er seine ganzen Erinnerungen auf - ein paar Fotos und Zeitungsartikel. Eines Tages fängt er an zu erzählen - es ist die Geschichte eines fünfjährigen Jungen, der vor dem sicheren Tod flieht. Alex konstruiert seine Vergangenheit sehr langsam - er baut sein Schicksal aus kurzen Blicken, abgebrochenen Erinnerungen. Alles scheint so unglaublich zu sein, dass man Zweifel bekommt - konnte ein Fünfjähriger einen ganzen Winter alleine im Wald überleben? Der kleine Junge gelangt zu lettischen Soldaten, wo er zum Maskottchen wird. Er bekommt eine Uniform und eine Waffe und versüßt den Soldatenalltag. Er sieht aber auch wie Juden massenweise umgebracht werden, wie sie in Züge verladen werden. Mit seinen Kinderaugen registriert er alles und spürt, dass die Soldaten, die im Leben "geschenkt" haben, etwas grausames tun. Er muss ständig in Angst leben, dass jemand entdeckt, dass er Jude ist.
Im zweiten Teil des Buches versuchen Vater und Sohn anhand von zwei Wörtern, die Alex aus der Vergangenheit behalten hat, seine Herkunft zu entdecken. Gleichzeitig versuchen sie viele Fragen zu beantworten, die bei der Suche auftauchen: über die Moral und Handlungsmotive von Alex und seinen lettischen Rettern.
Mark Kurzem beschreibt seine Gefühle, Gedanken und die Geschichte seines Vaters in sehr einfacher Sprache. Aber gerade diese Sprache berührt. Bei manchen Szenen blieb ich atemlos.
Nicht zu verachten war für mich auch der Bildungsaspekt - einiges habe ich über die Rolle Lettlands während des zweiten Weltkrieges erfahren. Überrascht hatten mich die Reaktionen der Letten und der Juden, als es bekannt wird, dass Alex Kurzem sein Schicksal nicht mehr geheim halten will.

Empfehlenswert!

Mark Kurzem, Maskotka, übersetzt von Jan S. Zaus, 431 Seiten., Replika.

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