Samstag, 25. Oktober 2008

"Fisch aus Gold" von J.M.G Le Clézio

Das Buch habe ich in einer Buchhandlung für schlappe 3,95 Euro gekauft. Ich war auf die Prosa von Le Clézio sehr neugierig, da ich bisher von ihm nicht ein einziges Mal gehört habe. Ich habe angefangen gestern Abend zu lesen und konnte gar nicht aufhören.
Der Autor beschreibt die Geschichte eines afrikanischen Mädchens, das mit etwas sechs Jahren geraubt wird. Sie wird in einen schwarzen Sack gesteckt und entführt. Lalla Asama, eine ältere Frau, kauft sie und wird zu ihrer Großmutter. Das Mädchen bekommt den Namen Laila. Sie liebt die alte Dame, verlässt sie nicht und lässt sich von ihr unterrichten. Als Lalla Asama stirbt, wird das Mädchen durch ihre Schwiegertochter "übernommen". Die neue Herrin ist jedoch sehr grob zu Laila, ihr Mann möchte sie vergewaltigen und sie flieht. Sie kennt die Welt nicht, sie hat keine Bekannte und so muss sie sich auf Leute verlassen, die ihr Vertrauen wecken. Zuerst lebt sich mit vielen Prostituierten zusammen, die sie wie ein Maskotchen betrachten, dann zieht sie mit zwei von ihnen in ein kleines Häuschen am anderen Flussufer ein. Schließlich reist sie illegal nach Frankreich ein. In Paris lernt sie illegale Immigranten aus vielen Ecken der Erde kennen.
Laila kann ihr Leben nicht selbst in die Hand nehmen, sie wird von einen Händen zu den anderen überreicht, sie bleibt dort hängen, wo sie auf nette Personen trifft. Oft wird sie ausgenutzt - psychisch und sexuell. Sie fühlt sich in einem Netz gefangen, wie ein Fisch. Sie möchte sich lösen, frei sein aber sie ist ständig von anderen Personen abhängig - von Personen, die legal in Frankreich wohnen, die ihr Arbeit oder Essen geben, die ihr beim lernen helfen. Die fehlenden Wurzel, die Unkenntnis über ihre Eltern und ihren Geburtsort verursachen dass sie sich ständig desorientiert fühlt. Ihr fehlt das Gefühl die Zugehörigkeit, nach dem sie ständig sucht. Sie fühlt sich nur mit Musik besser - sie gibt ihr die Möglichkeit zu vergessen, sie ermöglicht ihr in sich zu schauen. Laila hat die Fähigkeit mit der Musik zu verschmelzen und entdeckt ihr Talent.
Le Clézio beschreibt auch Immigranten aus den Antillen, Zigeuner aus Rumänien, Immigranten aus Mexiko und Indianer, die in den USA leben. Er zeigt die Unterschiede auf und weist gleichzeitig auf die Ähnlichkeit der Schicksale hin.
Die Themen, die Le Clézio aufgreift, interessieren mich sehr. Sein Buch hat mich dazu gebracht verstärkt an die Identität, an das Schicksal der Immigranten, an die Integrationsprobleme zu denken. Erst sein Buch hat es mir sehr deutlich bewusst gemacht wie wichtig eigene Wurzeln für erfolgreiches Leben, für das Identitätsgefühl sind.
Ich bin von Le Clézios Stil begeistert. Seine Sätze sehen unspektakulär aus, trotzdem haben sie auf mich eine große Anziehungskraft ausgeübt. Sie haben mich berührt und haben vor meinen Augen die Straßen und Bewohner von Paris oder Rabat erscheinen lassen. Le Clézio widmet viel Platz detaillierten Beschreibungen, die jedoch das Buch nicht langweilig machen. Ich war fasziniert und habe jede Zeile des Buches verschlungen. Am Montag renne ich in die Buchhandlung, um zu schauen, ob das zweite ("Die Revolutionen") heruntergesetzte Buch noch da ist.

Jean-Marie Gustave Le Clézio, Fisch aus Gold, übersetzt von Uli Wittmann, 254 Seiten, Kiepenheuer & Witsch Köln 2003

2 Kommentare:

  1. danke für die Zusammenfassung. Ich hab das Buch gelesen und hab nach andere Interpretationen gesucht. Brauchs für mein Studium.

    Dein Blog ist gut - weiterhin viel glück damit!

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