Obwohl mich "Der Drachenläufer" enttäuscht hat, habe ich Hosseini eine zweite Chance gegeben. Eine Freundin hat mir das Buch ausgeliehen, so hatte ich mit der Buchbeschaffung nicht viel Aufwand . Eigentlich bin ich ihr dafür dankbar, weil mir dieser Roman viel besser gefallen hat.
Das Buch liest sich leicht und schnell - ich habe nur zwei Abende gebraucht - obwohl die Themen, die Hosseini aufgreift, alles andere als fröhlich sind.
Der Autor nimmt den Leser wieder nach Afghanistan mit. Er erzählt das Leben von zwei Frauen. Die erste, Mariam, ist ein uneheliches Kind, was sie für das ganze Leben prägen wird. Ihre Mutter ist durch ihr Schicksal verbittert, überträgt jedoch ihre Stimmung nicht auf die Tochter. Mariam liebt ihren Vater bedingungslos. Ich möchte jedoch nicht zu viel Inhalt verraten. Irgendwann heiratet Mariam und wohnt in Kabul - dort lernt sie in sehr aussergewöhnlichen Umständen Laila kennen. Langsam und behutsam bauen die beiden Frauen eine Freundschaft auf.Hosseini erzählt sehr authentisch. Mit Liebe zum Detail beschreibt er das Leben der Frauen, ihre alltäglichen Sorgen, Gedanken und Beobachtungen. Das Schicksal der Frauen ist nicht leicht, sie müssen Gewalt, Erniedrigung und ständige Ungewissheit ertragen.
Sehr viel Platz nehmen die Beschreibungen der politischen Geschehnisse in Afghanistan: von der Monarchie, über den Einmarsch der Russen bis zur Machtübernahme der Taliban. Hosseini beschreibt sehr sorgfältig die Völkergruppen, die Afghanistan bewohnen, die politischen Wandlungen und auch die Einstellung der Bevölkerung zu der jeweiligen Regierung. Für mich war das ein sehr interessanter Aspekt. Obwohl Afghanistan in den Medien so präsent war und ist, kenne ich mich in der Geschichte dieses Staates wenig aus.
Kabul spielt auch eine bemerkenswerte Rolle im Roman - Hosseini beschreibt die Gerüche, die Straßen, die Bewohner und nicht zuletzt den Verfall der Hauptstadt.
Ich würde dieses Buch nicht zu hochrangiger Literatur zählen. Hosseini ist ein guter Handwerker. Er weiß wie man ein spannendes Buch schreibt, was ich nicht negativ bewerten möchte. Ich habe mich letztens häufiger an "Werke", wie ich sie nenne, gewagt und habe nicht viel Spaß dabei gehabt. Salman Rushdie hat mich sogar frustriert. Ich hatte Lust etwas, was man quasi verschlingen kann, zu lesen und solch eine Lektüre habe ich auch bekommen. Im "Drachenläufer" haben mir einige "Hollywood-Tricks" sowie die Häufung von Unglücksfällen im Leben der Protagonisten nicht gefallen. Hier konstruiert Hosseini sein Buch etwas geschickter - die Geschichte ist authentischer und nicht so mit merkwürdigen Zufällen überstürzt. Einige Male benutzt Hosseini Sätze wie (frei erinnert): Sie hat unterzeichnet. Ihre nächste Unterschrift sollte sie erst in 27 Jahren benutzen. Ich empfinde solche Sätze als künstlicher Aufbau von Spannung und kann mich damit nicht anfreunden. In diesem Roman waren es jedoch nicht so viele. Ich überlegte, ob Hosseini in seiner schriftstellerischer Werkstatt reifer geworden ist oder ob mich vielleicht das Thema des Buches einfach mehr interessiert hat und somit ich diesen Roman als gelungener sehe.
Khaled Hosseini, Tausen strahlende Sonnen, übersetzt von Michael Windgassen, 382 Seiten, Bloomsbury Berlin 2007, ISBN 978-3-8270-0671-4
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