Dienstag, 9. September 2008

"Die Eismalerin" von Kristin Marja Baldursdóttir

Das Buch wird vom Verlag als Island-Saga bezeichnet. Das ist sicherlich übertrieben, eine Saga ist es definitiv nicht. Wenn aber Kristin Marja ein weiteres Buch über das Schicksal von Karitas schreiben sollte, könnte eine Island-Saga entstehen, die gut ein Hundert Jahre isländische Geschichte umfassen könnte. Anzumerken sollte man, dass es wichtige Jahre für die Isländer waren - politisch aber auch gesellschaftlich. Darüber schreibt aber Kristin Marja nicht. Karitas, die Hauptprotagonistin, lernen wir in den 20. Jahren des 20 Jahrhunderts in den Westfjorden kennen - sie ist ein glückliches Mädchen, das mit ihren fünf Geschwister und Mutter zusammen lebt. Steinnun, ihre Mutter, ist eine starke und fest entschlossene Frau. Ihre Kinder sollen es besser im Leben haben und eine Ausbildung bekommen. Das ist in den Westfjorden nicht möglich und die ganze Familie zieht nach Akureyri um. Dort fängt die neue Zeit an - die Zeit harter Arbeit und des Lernens. Es ist aber keineswegs trostlose Zeit - die Kinder sind neugierig auf die Stadt und saugen Neues mit Begeisterung. Es gelingt der Mutter allen Kindern eine Ausbildung zu sichern. Nur Karitas arbeitet, damit die Anderen lernen können. In freier Zeit zeichnet sie und träumt von einer Kunstschule. In den weiteren Kapitel begleiten wir Karitas über viele Jahre - es wird nicht langweilig!
Sehr interessant für mich waren die Darstellungen des Lebens in Island - es ist ein hartes Leben, das stark von der Natur abhängt. Die Isländer bewahren jedoch ihre Freude am Leben, klagen nicht, im Gegenteil, sind stolz auf ihre Landschaft. Die Schriftstellerin betont mehrmals die Rolle der Frauen. Es sind immer starke Frauen, die nicht nur für die Kinder sorgen, die Hausarbeiten verrichten, die Vorräte für den Winter sichern sondern auch, wenn die Männer über mehrere Monate auf Fischfang sind, sich um die Sicherheit kümmern und alle Männerarbeiten durchführen. Sie treffen alle Entscheidungen, kämpfen und organisieren jeden Tag, immer ihrer Intuition folgend.
Zusammen mit Karitas lernen wir die ganze Insel kennen - angefangen mit den Westfjorden, über Akureyri, die Ostfjorde bis zu der am Fuße des Gletschers liegender Ortschaft im Süden der Insel. Baldursdóttir widmet viel Platz der Beschreibung der Landschaft, des Einflusses der Natur auf das Leben der Inselbewohner sowie des Klimas.
Einen großen Einfluss auf das Leben der Isländer hat auch, obwohl sie alle Christen sind, ihr altes Glauben sowie die Sagas. Die Elfen erscheinen im Roman ab und zu - diese Motive sind nie aufdringlich, verleihen aber dem Schicksal von Karitas etwas Geheimnisvolles.
Für diesen Roman wählte Baldursdóttir einen Erzählstil, in dem sie Dialoge meidet. Sie fühlt jede einzelne Zeile mit Worten - wovon ich jedoch keines missen möchte. Manchmal fühlte ich mich von der Wörtermenge erdrückt. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es an der Ausgabe lag - dünne, dicht bedruckte Seiten erschwerten das Lesen. Eine andere Ausgabe könnte locker 700 statt der knapp 480 Seiten umfassen können.
Ein Kritikpunkt gibt es noch - die Inkonsequenz in der Übersetzung der Namen. In den meisten Fällen wurde die Originalschreibweise behalten. Es gibt aber hin und wieder Namen, wo die isländischen Buchstaben weggelassen wurden. Man konnte auf einen Satz treffen, in dem drei Personen auftraten und die Namen wurden mal auf Deutsch, mal auf Isländisch geschrieben. Mich hat es wahnsinnig gemacht, zumal Onomastik mein Hobby ist.
Es ist das dritte Buch von Kristin Marja, das ich gelesen habe und ich wurde nicht enttäuscht.

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