Samstag, 22. Januar 2011

"Die Frau in den Dünen" Kōbō Abe


An einem Tag habe ich das Buch verschlungen. Ich wurde von Abe regelrecht hypnotisiert. Ich konnte und wollte mich aus dem Zustand der Unruhe und Verlorenheit, in den mich der Japaner versetzt hat, nicht befreien. Der Sand beherrschte meine Gedanken, ich spürte ihn auf der Haut, im Mund und in den Ohren, zwischen den Fingern und in den Haaren. Meine Gedanken wurden gelb.

Der Biologielehrer Jumpei Niki, ein passionierter Entomologe, macht einen kurzen Ausflug, deren Ziel ist es, eine neue Insektenart zu entdecken. Der Mann sucht in einer Dünenlandschaft, da die gesuchten Insekten im Sand leben sollen. Während seiner Suche entdeckt er zwischen den Dünen ein Dorf, wo er nach einer Übernachtung fragt. Diese Bitte wird ihm zum Verhängnis. Die Dorfbewohner platzieren ihn in einer Hütte, die in einem Sandloch gebaut wurde. In der Hütte wohnt bereits eine Frau, die jede Nacht bei der Sandbeseitigung arbeitet. Der Wind sorgt dafür, dass ständig neuer Sand nachrückt. Diese Arbeit sichert das Bestehen des ganzen Dorfes - wenn die Bewohner aufhören würden, den Sand mühsam weg zu schippen, würde das ganze Dorf unter dem Sand verschwinden. Der Lehrer versteht zu Beginn nicht, dass er sich in einer Falle befindet. All seine Energie steckt er in die Ausarbeitung einer Idee, wie er dem Sandloch entkommen könnte. Die Frau dagegen geht mit den Worten sparsam um, sie empfängt ihren Begleiter beinahe gleichgültig. Gleichzeitig versucht sie ihn langsam an die alltägliche Routine und das Leben im Sand zu gewöhnen. Obwohl der Mann nie aufgibt und ständig an eine Fluchtmöglichkeit denkt, gerät er unbemerkt in den Alltag und akzeptiert das durch den Sand gesteuerte Leben.

Neben der Handlung, widmet Abe viel Platz den Gedanken des Hauptprotagonisten. Sie decken ein breites Spektrum ab - angefangen mit dem Wesen des Sandes, über das Charakteristikum von Frauen bis zu den Überlegungen über den Sinn des Lebens. Diese Fragmente berühren so viele Themen, dass man sie sicherlich noch ein mal lesen kann.
Die größte Stärke des Romans ist jedoch die Sprache. Dem Autor gelingt es eine einmalige Atmosphäre zu schaffen. Sehr suggestiv beschreibt er den allgegenwärtigen Sand, das Leben damit, die tägliche Körperreinigung und den aussichtslosen Kampf gegen das ständige Nachrücken von neuen Sandmassen.

Der Autor überlässt dem Leser mehrere Interpretationsmöglichkeiten - der Sand kann als der Hauptheld und somit eine Parabel des Lebens gesehen werden. Gleichzeitig kann man den Roman als eine Darstellung der Frau (wie es auch der Titel vorgibt), die den Mann zu bezwingen weisst.

Meine Bewertung: 6/6

Kōbō Abe, Kobieta z wydm, übersetzt von Mikołaj Melanowicz, 213 Seiten, Znak

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