Montag, 6. Juli 2009

"Lala" Jacek Dehnel


Endlich habe ich den Roman bekommen, gelesen und genossen. Trotzdem kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob ich das Buch gut gefunden habe - es hat Fragmente, die ich sehr, sehr gut fand aber es fehlt etwas, was für mich das Buch zu einem Meisterstück machen würde. Das Thema liegt mir nah - die Ahnenforschung ist mein Hobby und ich lese sehr gerne alte Familiengeschichten.
Jacek Dehnel führt keine genealogischen Recherchen, er sammelt eher kleine Erzählungen, Anekdoten, Gedanken, Erinnerungen, die seine Oma immer wieder einwirft. Seine Oma ist absolut außergewöhnlich - energisch, gebildet, überraschend. Oma erzählt pausenlos - sie fängt beim Frühstück an, bricht ab um die Gegenwart zu kommentieren und fängt ganz woanders an. Zeitliche Reihenfolge zählt für sie absolut nicht - sie erinnert, springt zu anderen Gedanken über, weicht ab und führt eine unglaubliche Zahl von Namen auf. Jacek versucht ihren Redefluss zu kontrollieren, versucht die Oma zur Haupterzählung zu bekehren, notiert, lächelt und hört sich das gleiche Geschichten zig Mal an. Eben diese Erinnerungen las ich langsam, legte das Buch immer wieder zur Seite, kehrte doch zurück.
Viel interessanter fand ich den zweiten Teil des Buches, wo der Enkelsohn das Älterwerden seiner Oma beschreibt - ihre Vergessenheit, das Durcheinanderbringen von Fakten, ihre Boshaftigkeit und schliesslich die physische Pflege, die zum Schluss dominant wird. Die Oma wird kindisch, erschwert die Pflege und zerrt an den Nerven der Tochter und des Enkelsohnes.
Ich war sehr überrascht wie einfühlsam, wie ehrlich, wie mutig Dehnel diesen Prozess beschrieb. Das Gehen einer lieben Person zu beschreiben ist sicherlich sehr schwierig - der junge Dehnel macht es aber sehr erwachsen, überraschend gut. Dieses Thema kommt in der Literatur nicht oft vor - es ist schwierig, es ist peinlich, schließlich auch nicht gut verkäuflich. Desto mehr bin ich begeistert, wie mutig und ehrlich Dehnel sich dieser Thematik einnimmt.
Dehnels Sprache hat mir wahnsinnig gut gefallen - ein ausgesprochen kultiviertes Polnisch. Ich mochte nur die poetischen Einwürfe nicht so - ist halt nicht mein Ding.
Ich bin sehr auf weitere Bücher von Dehnel gespannt.

Deutsche Ausgabe erschien bei Rowohlt Verlag.

Jacek Dehnel, Lala, 403 str., W.A.B.

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